Lichtgeschichten

Einblicke in zwei Jahrhunderte Lichttechnik und Beleuchtung

Die Bauhaus-Leuchte: Wilhelm Wagenfelds bahnbrechendes Leuchten-Design
Dienstag, 2. Dezember 2025

Die Bauhaus-Leuchte: Wilhelm Wagenfelds bahnbrechendes Leuchten-Design

Weimar im Jahr 1924. In den Fluren des Staatlichen Bauhauses herrscht eine Atmosphäre des radikalen Aufbruchs. Hier, wo Kunst und Handwerk zu einer neuen Einheit verschmelzen sollten, bekam ein 24-jähriger Silberschmiede-Geselle namens Wilhelm Wagenfeld eine Aufgabe, die Designgeschichte schreiben sollte. Sein Meister, der ungarische Konstruktivist László Moholy-Nagy, forderte ihn heraus, eine Tischleuchte zu entwerfen. Das Ergebnis war nicht einfach nur eine Lichtquelle, sondern eine Ikone, die als „Bauhaus-Leuchte“ weltberühmt wurde und bis heute als Inbegriff modernen Designs gilt.

Die Geburt der WA 24, wie die Leuchte offiziell heißt, war ein Experimentierfeld für die Ideale des Bauhauses. Das Ziel war ambitioniert: Es sollten Produkte geschaffen werden, die funktional, ästhetisch ansprechend und für die industrielle Massenfertigung geeignet waren. Wagenfeld, der gerade erst als Geselle in die Metallwerkstatt aufgenommen worden war, näherte sich dem Design mit einer fast mathematischen Präzision. Er reduzierte die Leuchte auf ihre elementarsten geometrischen Grundformen: eine kreisrunde Fußplatte, einen zylindrischen Schaft und eine fast kugelförmige Kuppel als Schirm.

Das Design besticht durch seine zeitlose Eleganz und Transparenz. Besonders die Variante mit dem Glasschaft und der Glasfußplatte lässt die Technik im Inneren sichtbar werden – das Kabel wird nicht versteckt, sondern als technisches Element inszeniert. Der Schirm aus Opalglas war dabei mehr als nur ein ästhetisches Merkmal; er sorgte für eine gleichmäßige, blendfreie Lichtverteilung, die dem Raum eine angenehme Atmosphäre verlieh, ohne die Funktion der Leuchte als Arbeitslicht zu beeinträchtigen. Es war die perfekte Symbiose aus „Form follows function“ und künstlerischem Ausdruck.

Interessanterweise birgt die Geschichte der Bauhaus-Leuchte ein Paradoxon. Obwohl das erklärte Ziel des Bauhauses die Schaffung von günstigen Produkten für die breite Masse durch industrielle Fertigung war, wurde die WA 24 zunächst in aufwendiger Handarbeit hergestellt. Die komplexen Glas- und Metallverbindungen ließen sich mit den damaligen maschinellen Mitteln kaum in der gewünschten Qualität realisieren. So wurde die Leuchte, die eigentlich das „Volksbedürfnis“ stillen sollte, zu einem Luxusobjekt für eine intellektuelle Elite. Dennoch tat dies ihrem Erfolg keinen Abbruch; sie wurde zum Symbol für die neue Sachlichkeit und den modernen Lebensstil.

Die Materialien spielten eine entscheidende Rolle in der Wahrnehmung des Objekts. Das kühle Nickel und das mattierte Glas standen im krassen Kontrast zu den damals üblichen, oft überladenen Leuchten mit Stoffschirmen und verspielten Füßen. Wagenfelds Entwurf wirkte wie eine Maschine, ein „Lichtapparat“, der sich nicht aufdrängte, sondern dem Raum diente. Diese Zurückhaltung ist es auch, die der Leuchte ihre unglaubliche Langlebigkeit im Designkanon gesichert hat. Sie passt auf einen antiken Sekretär ebenso gut wie auf einen modernen Schreibtisch aus Glas und Stahl.

Heute wird die Leuchte weltweit als Designklassiker verehrt und vielfach kopiert. Die einzigen autorisierten Reeditionen werden von dem Bremer Unternehmen Tecnolumen gefertigt, das die Rechte direkt von Wagenfeld erhielt. Jedes Stück wird nummeriert und trägt das Bauhaus-Zeichen, um die Authentizität zu garantieren. Wenn man heute eine echte Wagenfeld-Leuchte betrachtet, sieht man nicht nur ein Beleuchtungsobjekt, sondern ein Stück kristallisierte Zeitgeschichte – ein Denkmal an eine Ära, in der man glaubte, durch gute Gestaltung die Welt verbessern zu können.

Wilhelm Wagenfeld selbst blieb seiner Linie treu und entwarf in den folgenden Jahrzehnten unzählige weitere Alltagsobjekte, von der Butterdose bis zum Salzstreuer, die millionenfach in deutschen Haushalten zu finden waren. Doch die WA 24 bleibt sein Meisterstück. Sie erinnert uns daran, dass wahre Modernität nicht im Komplizierten liegt, sondern in der perfekten Harmonie einfacher Formen. In einer Welt, die oft laut und visuell überreizt ist, bietet die stille Klarheit der Bauhaus-Leuchte einen Ruhepol für das Auge – und beweist, dass gutes Licht zeitlos ist.